Herzlich willkommen.
Das wachsende öffentliche Bewusstsein einer säkularen Wertebegründung und nicht-religiösen Lebensgestaltung hat wichtige Vorläufer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die damalige Bewegung für ethische Kultur setzte sich für einen Moralunterricht an den Schulen ein, der nicht an den Glauben der Schüler, sondern an ihre Vernunft appellieren sollte. Volksbildung und Aufklärung waren Ideale damaliger Vordenker, die im Rückblick als Pioniere eines säkularen Humanismus gelten können.
Einer der bedeutendsten, aber heute ganz zu Unrecht fast vergessenen Köpfe dieser Zeit war der Philosoph Friedrich Jodl (1849-1914), der an Universitäten in München, Prag und Wien gewirkt, zahlreiche Bücher verfasst und gemeinsam mit Wilhelm Bolin die gesammelten Werke Ludwig Feuerbachs herausgegeben hat.
Jodl hat sich an philosophischen Grundpositionen David Humes, Auguste Comtes und Ludwig Feuerbachs orientiert. Anders als viele seiner freidenkerischen Zeitgenossen ist er jedoch nicht den Verheißungen sozialistischer Gesellschaftspolitik erlegen, sondern setzte auf liberale Reformen und sozialen Fortschritt. Seinem Ansatz kommt eine Schlüsselposition zu, mit der bis heute zwischen liberalen, sozialen und konservativen Erwartungen in säkularen Milieus vermittelt werden kann.
Der 100. Todestag Friedrich Jodls im Jahr 2014 bietet den Anlass, sich neu und vertieft mit seinem Leben und Werk auseinanderzusetzen, um daraus Lehren für die weltanschaulichen und politischen Diskurse der Gegenwart zu ziehen. Auf dem Symposium wollen wir daher nicht nur Jodls Schaffen in der Rückschau lebendig werden lassen und so einen vertieften Einblick in freigeistiges Denken vor dem Ersten Weltkrieg geben, sondern auch fragen, wo es Kontinuitäten und wo es Brüche im aufklärerischen Denken seit damals gibt.
Programmflyer zum Download (PDF, 199 KB)

 
Ablauf (Änderungen vorbehalten)
Uhrzeit
 Programmpunkt
10.00-10.15
 Begrüßung
10.15-11.00*
 Helmut Fink (Nürnberg):
 Friedrich Jodl, ein zu Unrecht vergessener Freigeist   
 - Leben und Werk
11.00-11.45
 Hans-Jürgen Stubig (Bonn):
 Friedrich Jodl und Wilhelm Bolin -
 Herausgeber Feuerbachs
11.45-12.00
 Kaffeepause 1
12.00-12.45
 Prof. Dr. Rainer Prätorius (Hamburg):
 Die Ethische Kulturbewegung - ihre Wurzeln, Ziele
 und Wirkungen
12.45-14.15
 Mittagspause
14.15-15.00
 Dr. Dr. Joachim Kahl (Marburg):
 Jodls Aufsatzsammlung „Vom Lebenswege“ -
 hilfreich im Dienste einer monistisch-naturalistischen
 Philosophie
15.00-15.45
 Dr. Gerhard Engel (Hildesheim):
 Jodls Wirtschaftsethik - Von Adam Smith zu den  
 Grenzen des Wachstums
15.45-16.15
 Kaffeepause 2
16.15-17.00
 Helmut Walther (Nürnberg):
 Praktischer Idealist vs. Übermensch -
 Jodls „Nietzsche-Problem“
17.00-18.00
 Podiumsdiskussion:
 Aufklärung heute - Brücken von Jodls Zeit in die
 Gegenwart.
 Moderation: Dr. Frank Schulze (Nürnberg)
18.00
 Ende der Veranstaltung
* Nach jedem Vortrag besteht für die Teilnehmenden Gelegenheit,
Fragen zu stellen und Diskussionsbeiträge zu äußern.
Programmgestaltung/Moderation:
Dr. Frank Schulze & Helmut Fink
 
Themen 
Friedrich Jodl, ein zu Unrecht vergessener Freigeist - Leben und Werk (Helmut Fink): Das Leben Friedrich Jodls lässt sich nach seinen Wirkungsstätten München, Prag, Wien in drei Phasen gliedern. Jodl wird in München geboren, studiert dort und entwickelt seine vielfältigen literarischen, künstlerischen und philosophischen Interessen. Er promoviert über David Hume, arbeitet über Kulturgeschichte und ist als Dozent tätig. Es folgt die Habilitation über den Ursprung des Sittlichen und der 1. Band seiner einflussreichen „Geschichte der Ethik“. Ab 1885 ist Jodl Professor für Philosophie an der Deutschen Universität in Prag. Der 2. Band der „Geschichte der Ethik“ bringt ihm neue Kontakte, u.a. zum Feuerbachianer Wilhelm Bolin. Auch Jodls „Lehrbuch der Psychologie“ und sein Engagement in der Ethischen Bewegung gehen auf diese Zeit zurück. Ab 1896 wirkt er in Wien, u.a. zu Feuerbach, Ästhetik, Kritik des Idealismus, pro Monismus und contra Klerikalismus. Jodl ist ein führender Kopf für Aufklärung und Volksbildung. -> Link zum Referentenprofil von Helmut Fink.
   
Friedrich Jodl und Wilhelm Bolin - Herausgeber Feuerbachs (Hans-Jürgen Stubig): Die Gesamtausgabe „Sämtliche Werke Ludwig Feuerbachs“ von Friedrich Jodl und Wilhelm Bolin hat über viele Jahrzehnte hinweg das Feuerbach-Bild beeinflusst. Bolin und Jodl zielten bei der Herausgabe der Werke Feuerbachs nicht auf eine wissenschaftlich-kritische Ausgabe, vielmehr wollten sie die Gedanken des Philosophen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Ausgehend von Bolins und Jodls Herkunft und Familien liefert der Vortrag Informationen zur jeweiligen wissenschaftlichen Ausbildung und soll eine Vorstellung von deren gemeinsamer Arbeit an der Herausgabe der Feuerbach-Ausgabe vermitteln. Im Rahmen des Vortrages werden Originalausgaben von Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl und Schriftstücke aus der damaligen Zeit gezeigt. -> Link zum Referentenprofil von Hans-Jürgen Stubig.
 
Die Ethische Kulturbewegung - ihre Wurzeln, Ziele und Wirkungen (Prof. Dr. Rainer Prätorius): „Ethical Culture“ ist ein interessantes Beispiel für transatlantische Konvergenzen und Divergenzen im Säkularismus. Friedrich Jodl nahm die Impulse, die aus einer praxiszentrierten, „induktiven“ Ethik-Gemeinschaft kamen, positiv auf, blieb aber fremd ihren ersatzreligiösen Formen gegenüber. Die Bewegung selbst wurde in außergewöhnlichem Maße durch eine einzige Person bestimmt: Felix Adler. Ein kurzes intellektuelles Porträt ist darum unumgänglich, in dem dann auch die deutschen Prägungen gewürdigt werden. Die Ausrichtung auf eine „nicht-theistische Spiritualität“ ist allerdings unverwechselbar amerikanisch; darum wird abschließend gefragt, wie sich das Phänomen in zeitübergreifende Kulturmuster der USA fügt. -> Link zum Referentenprofil von Prof. Dr. Rainer Prätorius.
 
Jodls Aufsatzsammlung „Vom Lebenswege“ - hilfreich im Dienste einer monistisch-naturalistischen Philosophie (Dr. Dr. Joachim Kahl): Der Vortrag stellt die Einschätzung in den Mittelpunkt, dass Jodl - mit seinen eigenen Worten gesagt und wenngleich auf Bartholomäus von Carneri bezogen problemlos auf ihn selbst übertragbar - „ein laut redender Zeuge (ist) für eine Wahrheit, welche heute gern mit allen Kräften verdunkelt wird: dass der Atheismus mit dem höchsten sittlichen Ernste, das freieste Denken mit unbedingter Toleranz und die entschiedenste antiklerikale Gesinnung mit dem wärmsten und weitblickendsten Patriotismus und Staatsgefühl Hand in Hand gehen können" (Jodl, Vom Lebenswege Bd. I, S. 458). -> Link zum Referentenprofil von Dr. Dr. Joachim Kahl.
 
Jodls Wirtschaftsethik - Von Adam Smith zu den Grenzen des Wachstums (Dr. Gerhard Engel): Wie frei dürfen wirtschaftliche Akteure sein? Welche Möglichkeiten gibt es, ihr Handeln so zu kanalisieren, dass alle Menschen den Regeln und den durch sie hervorgebrachten Ergebnissen zustimmen können? Friedrich Jodl hat hier inmitten der weltanschaulichen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts teilweise wegweisende und eigenständige Antworten gegeben. Einige Beispiele: Als humanistischer Denker erkannte er die überragende Bedeutung von Bildung und Ausbildung für den Wohlstand der Nationen; als Liberaler sah er die Bedeutung des Marktes für den Wohlstand des Einzelnen; als Theoretiker der Sozialpolitik plädierte er dafür, dass der Staat die individuellen Risiken einer Marktwirtschaft durch kollektive Sozialversicherungen abfedern müsse; und als zukunftsorientierter Denker nahm er auch schon die ›Grenzen des Wachstums‹ in den Blick - also die auch heute verbreitete Annahme, dass eine Nullwachstums-Ökonomie sowohl möglich als auch menschengemäß sei. Im Vortrag werden seine Ideen näher erläutert und in den Rahmen der heutigen wirtschaftsethischen Diskussion gestellt. -> Link zum Referentenprofil von Dr. Gerhard Engel.
 
Praktischer Idealist vs. Übermensch - Jodls „Nietzsche-Problem“ (Helmut Walther): Im Wien des Jahres 1905 muss sich Friedrich Jodl zwischen Antisemitismus, Nationalismus und Klerikalismus behaupten. An seiner Universität ist er von prominenten Kollegen wie Ernst Mach und Sigmund Freud umgeben. Gleichzeitig schwillt um die Jahrhundertwende der Lärm um die Philosopie Nietzsches auch in Wien erheblich an – und so verfasst Jodl seine Schrift „Das Nietzsche-Problem“, in der er die Forderung Nietzsches nach einer „Umwertung der Werte“ im Namen des „Übermenschen“ sowie dessen irrationalen Verzicht auf die Vernunft ablehnt. Einig ist sich Jodl mit Nietzsche in der Ablehnung einer „sozialistischen Gleichmacherei“. Beide, Nietzsche und Jodl, verfassen am Ende eine Art Testament: Nietzsche den „Antichrist“ mit dem „Gesetz wider das Christentum“ und die Jodl die Schrift „Vom wahren und falschen Idealismus“ ...  -> Link zum Referentenprofil von Helmut Walther.
 
Tagungsort
Das Symposium wird im Humanistischen Zentrum des HVD Bayern, Kinkelstr. 12, 90482 Nürnberg, im Veranstaltungsraum im Souterrain stattfinden.
Humanistisches Zentrum des HVD Bayern in Nürnberg

 
Essen &Trinken
Kaffeepausen: In den beiden Kaffeepausen (11.45 Uhr und 15.45 Uhr) wird es nicht nur Getränke, sondern auch süße und herzhafte Kleinigkeiten zu essen geben. Die Verpflegung in diesen beiden Pausen ist komplett im Teilnehmerbeitrag inbegriffen.
Mittagspause: Das Mittagessen (12.45-14.15 Uhr) nehmen die Teilnehmenden in einer Lokalität ihrer Wahl und auf eigene Kosten ein. Wir empfehlen jedoch das Restaurant „Osteria Gastro“ (Schmausenbuckstr. 14) und würden uns freuen, wenn möglichst viele Teilnehmende gemeinsam mit den Referenten und Organisatoren dort essen würden. Das Restaurant liegt gleich gegenüber vom Tagungsort (ca. 1-2 Gehminuten).
 
Presse
Die Magazin „diesseits“ hat zum 100. Todestag Jodls folgenden Artikel (inkl. Hinweis auf unser Symposium) von Helmut Fink veröffentlicht (zum Lesen bitte Bild anklicken):
 
Veranstaltungshinweise
Bitte beachten Sie auch die folgenden Veranstaltungshinweise von GKPN und HABy bzw. HVD.
Mittwoch, 17.09.2014, 19.30 Uhr, Nachbarschaftshaus Gostenhof (Nbg.), Raum 212
Kein rechtsfreier Raum - wie uns der Staat online um unsere Bürgerrechte bringt
Referent: Dennis Schmolk
Veranstalter: GKPN
Mittwoch, 01.10.2014, 19.30 Uhr, Nachbarschaftshaus Gostenhof (Nbg.), Raum 212
Monogamie - Kritik und Alternativen
Referent: Dr. Frank Schulze
Veranstalter: GKPN
Mittwoch, 15.10.2014, 19.30 Uhr, Raum 205, Nachbarschaftshaus Gostenhof (Nbg.), Raum 212
„Wer heilt, hat recht!“ - Stimmt das wirklich? Kritische Anmerkungen zum Geschäft mit der Krankheitsangst
Referent: Wolfgang Hund
Veranstalter: GKPN
Samstag, 25.10.2014, 10-17 Uhr, Nachbarschaftshaus Gostenhof (Nbg.)
Tagesseminar zu Ludwig Feuerbach
Fachkundige Dozenten werden über verschiedene Themen zu Philosophie und Leben Ludwig Feuerbachs referieren, unter ihnen Dr. Dr. Joachim Kahl (Marburg), der über die französischen Moralisten mit Blick auf Ludwig Feuerbach sprechen wird. Genauere Angaben zu Themen und Referenten folgen. Alle Mitglieder der GKPN und der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft sowie interessierte Nichtmitglieder sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei. Das Programm können Sie demnächst hier abrufen: www.ludwig-feuerbach.de.
Veranstalter: Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft & GKPN
Mittwoch, 29.10.2014, 19.30 Uhr, Nachbarschaftshaus Gostenhof (Nbg.), Raum 212
Nihilismus, Materialismus und Atheismus im Frühwerk Ludwig Tiecks
Referent: Dr. Martin Götze
Veranstalter: GKPN
 
Rückblick
Ausführliche Rückblicke auf frühere Symposien finden Sie auf der Seite Homepage der Gesellschaft für kritische Philosophie unter www.gkpn.de/veranstaltungen_rueckblicke.htm.